Seit einigen Monaten hält uns die Corona-Krise in Atem. Neben der Gefahr für die Gesundheit, wurden zur Eindämmung des Virus Maßnahmen gesetzt, die unser Alltagsleben drastisch verändert haben. Besonders die Minimierung der Sozialkontakte ist für viele Senioren eine große Herausforderung. Wie man damit am besten umgeht, haben wir mit dem Psychiater und Psychotherapeuten Dr. Werner Schöny besprochen.
Herr Dr. Schöny, wie belastend ist eine solche Situation – Ausbreitung des Virus, Ungewissheit, soziale Einschränkungen – für die Menschen, speziell für Senioren?
Keine Frage, eine solche Situation ist belastend. Der Alltag und der gewohnte Lebensrhythmus werden verändert und das ist oft sehr herausfordernd, aber die Basisversorgung ist weiterhin gewährleistet. Ganz entscheidend ist hier die persönliche Einstellung. Man muss sich vor Augen halten, dass alle Maßnahmen zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz anderer sind – wenn man das Virus nicht bekämpft, kann das ein riesiges Problem werden – und, dass auch wieder eine andere Zeit kommen wird.
Für viele Senioren sind soziale Kontakte ein Lebenselixier. Wie geht man am besten mit den Einschränkungen um?
Man muss die Fakten zur Kenntnis nehmen. Man kann und soll aber über das Telefon, WhatsApp, E-Mail usw. weiter Kontakt mit Familie und Freunden halten. Und es gibt ja viele Möglichkeiten sich dennoch zu beschäftigen, etwa Lesen, Kochen (z.B. neue Rezepte ausprobieren), Gymnastik machen, Gartenarbeit, Musizieren und Musik hören – das ist besonders entspannend. Es ist auch eine gute Gelegenheit, die schönen Phasen des Lebens Revue passieren zu lassen, etwa indem man Fotoalben ansieht, und vielleicht auch einmal die Ruhe zu genießen. Ganz zentral ist, keine Verbitterung aufkommen zu lassen.
Ist die Situation für Alleinlebende – Stichwort Einsamkeit – besonders schwer?
Wenn jemand grundsätzlich einsam ist, wird das in so einer Situation natürlich verstärkt. Kontaktpflege ist daher schon vorher sehr wichtig. Man muss aber auch selbst initiativ werden, z.B. von sich aus jemanden anrufen. Gefährlich ist, wenn jemand völlig passiv wird, z.B. nicht mehr aufsteht. Ich empfehle daher, sich selbst auch in Tagen wie diesen eine Struktur zu geben – um eine bestimmte Zeit aufstehen, Frühstücken, Gymnastik, usw.
Was raten Sie pflegenden Angehörigen in so einer Situation?
Wichtig ist die Basisversorgung des Pfleglings und die Einhaltung der Hygienemaßnahmen. Zu viele Sorgen sind gefährlich und auch ein schlechtes Gewissen, weil man vielleicht nicht so intensiv betreuen kann wie bisher. Man muss hinterfragen: was kann und darf ich leisten und was kann und darf der andere erwarten.
Wie sollen Senioren mit dem Thema Corona umgehen?
Eine gewisse Angst ist sicher notwendig, aber man darf sich von der Angst nicht übermannen lassen, denn das persönliche Risiko ist bei Einhaltung der Maßnahmen gering. Man soll sich regelmäßig informieren, aber sich nicht ausschließlich mit Corona, sondern bewusst auch mit anderen Themen beschäftigen. Zudem sollten auch die positiven Aspekte der Krise – etwa der gesellschaftliche Zusammenhalt – gesehen werden.
Univ. Doz. Prof. Dr. Werner Schöny
wurde 1945 in Ried im Innkreis geboren. Er war Primar für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin in der Wagner-Jauregg-Klinik, deren ärztlicher Leiter er von 1992 bis 2011 war. Zudem war er bis 2019 Vorstandsvorsitzender von pro mente Oberösterreich.
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